Chinas Wirtschaft steht vor Herausforderungen. Die im April veröffentlichten Wirtschaftsdaten deuteten eine sich leicht verbessernde wirtschaftliche Lage des Landes an; die Zahlen für das zweite Quartal 2024 fielen jedoch hinter den Erwartungen zurück. Um ausländische Investitionen nach China zu stärken, kündigte die chinesische Regierung Lockerungen für internationale Unternehmen an. Was bedeuten Chinas wirtschaftliche Lage und die Investitionssignale für internationale Unternehmen in China? Welche Herausforderungen gibt es?
Zusammenfassung: Chinas Wirtschaft und Auslandsinvestitionen im Jahr 2024
- China versucht ein angenehmeres Klima für Investitionen aus dem Ausland zu schaffen.
- Sowohl ein Aktionsplan für mehr Investitionen aus dem Ausland als auch die Bestimmungen zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs sollen den Druck verringern, dem internationale Unternehmen derzeit in China ausgesetzt sind.
- China sieht sich weiterhin einer Reihe sozioökonomischer Herausforderungen ausgesetzt. Lokale Verschuldung, die Immobilienkrise oder Jugendarbeitslosigkeit gefährden nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung, sondern lassen auch das Vertrauen ausländischer Investor*innen sinken.
Chinas Wirtschaftsdaten in der ersten Hälfte von 2024
Chinas Wirtschaftswachstum schwächelt weiterhin. Zwar war im ersten Quartal 2024 das BIP um 5,3 % gewachsen und hatte damit die Vorhersage von 4,9 % übertroffen. Die Daten für das zweite Quartal bleiben jedoch mit einem BIP-Wachstum von 4,7 % hinter den Erwartungen zurück. Die Zuversicht aus dem ersten Quartal ist somit wieder gedämpft.
Bei näherer Betrachtung der Zahlen des ersten Quartals wird zudem deutlich, dass die Herausforderungen, mit denen die chinesische Wirtschaft bereits 2023 zu kämpfen hatte, bestehen bleiben. Denn ein Großteil des chinesischen BIP-Wachstums ist auf das Wachstum der Industrie, des verarbeitenden Gewerbes sowie des Dienstleistungssektors zurückzuführen, der Binnenkonsum bleibt hingegen schwach.
Diese Wachstumszahlen wurden insbesondere durch E-Mobilität, den Solar- und Batteriesektor angetrieben. International sendet dies jedoch Alarmsignale. So befürchten unter anderem die USA und EU Auswirkungen auf ihre heimischen Industrien. Sowohl der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz als auch US-Finanzministerin Janet Yellen sprachen bei ihren jüngsten Besuchen in China Befürchtungen zu Überkapazitäten an. Anfang Juli verhängte die EU als Warnung vorläufige Zölle auf E-Autos aus China.
Unter anderem eine anhaltend schwache Binnennachfrage belastet die chinesische Wirtschaft. Umsätze im Einzelhandel waren im März im Vergleich zum Vorjahr nur um 3,1 % gestiegen. Chinesischen Verbraucher*innen bleiben zurückhaltend. Auch ausländische Unternehmen in China wie Apple meldeten schwächere Umsätze.
Direktinvestitionen in China: Mangelndes Vertrauen der Investor*innen
Ausländischen Direktinvestitionen in China gingen in den ersten Monaten von 2024 um ganze 19,9 % im Vergleich zum Vorjahr zurück. Bereits 2023 waren ausländische Direktinvestitionen auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren gesunken. Dabei haben verschiedene Faktoren Einfluss auf das Vertrauen möglicher Investor*innen: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise sind weiter spürbar, China verzeichnet hohe Arbeitslosenzahlen, insbesondere unter jungen Chines*innen und kämpft seit Jahren mit einer Immobilienkrise sowie hoher lokaler Verschuldung.
Ein weiterer entscheidender Grund für den Investitionsrückgang in China ist der zunehmende Fokus der chinesischen Regierung auf nationaler Sicherheit. Im Jahr 2023 überarbeitete die chinesische Regierung ihr Spionagegesetz. Internationale Unternehmen griffen daraufhin zu Vorsichtsmaßnahmen. Die Vorkehrungen scheinen nicht unbegründet, wie das harte Durchgreifen gegen einige ausländische Unternehmen zeigt. Die chinesische Regierung begründete ihre Anordnungen mit Vorwürfen der Spionage oder der Gefährdung nationaler Sicherheit. Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen ist somit ein verstärkter Schwerpunkt auf nationaler Sicherheit ein weiterer Aspekt, der Investitionen in das Land behindert.
Neue Vorschriften: Guten Nachrichten für ausländische Unternehmen in China?
Doch China ist auf Investitionen von internationalen Unternehmen angewiesen. So sollen nun verschiedene Regulierungen und Gesetzesänderungen den Stimulus für Investitionen wieder ankurbeln. Die chinesische Regierung lockerte hierfür beispielsweise im Januar 2024 Bestimmungen für Joint Ventures in China.
Guo Tingting, stellvertretender chinesischer Handelsminister, versprach darüber hinaus eine fairere Behandlung internationaler Firmen. Viele Unternehmen beklagen den schwierigen Marktzugang zum Land. Eine Umfrage der Deutschen Handelskammer (AHK) in den ersten Monaten des Jahres 2024 ergab, dass sich zwei Drittel der befragten deutschen Unternehmen in China einem „unfairen Wettbewerb“ ausgesetzt sehen. Sollten sich aufgrund dessen ausländische Unternehmen zunehmend aus China zurückziehen, könnte das langfristig schwere Schäden für die chinesische Wirtschaft bedeuten.
Als Reaktion auf die zurückgehenden Direktinvestitionen veröffentlichte die chinesische Regierung im April 2024 daher einen Aktionsplan mit Maßnahmen zur Förderung ausländischer Investitionen in China. Zudem aktualisierte sie Vorschriften für den Datenexport. Diese Lockerungen zielen insbesondere darauf ab, ein investitionsfreundlicheres Klima für ausländische Unternehmen in China zu schaffen.
Internationale Beachtung fanden die im März von der chinesischen Behörde für Cybersicherheit veröffentlichten Lockerungen für grenzüberschreitenden Datentransfer. Die sogenannten „Provisions on Facilitating and Regulating Cross-Border Data Flows“ richten sich an ausländische Unternehmen in China und sollen für deutlich erleichterten Datentransfer zwischen dem In- und Ausland sorgen.
Chinas Vorschriften für ausländische Investitionen: Aktionsplan für ausländische Investitionen
Im Februar 2024 veröffentlichte der chinesische Staatsrat den “Action Plan to Solidly Promote High-Level Opening Up and Make Greater Efforts to Attract and Utilize Foreign Investment”. Die Maßnahmen richten sich nicht nur an mögliche künftige Auslandsinvestitionen, sondern auch an bereits vor Ort ansässige internationale Unternehmen. Der Aktionsplan umfasst dabei fünf Hauptbereiche:
- Erweiterung des Marktzugangs, Liberalisierung ausländischer Investitionen: Die Maßnahmen sehen unter anderem vor, die Negativliste für ausländische Investitionen zu kürzen und ausländischen Unternehmen einen breiteren Zugang zu den Bereichen der wissenschaftlichen und technologischen Innovation in Freihandelszonen zu gewähren. Die Maßnahmen zielen zudem darauf ab, den Zugang ausländischer Finanzinstitutionen vor Ort auszubauen, den Zugang zum inländischen Anleihemarkt zu erleichtern und die Durchführung von Pilotprojekten zu fördern. Internationale Partner*innen sollen darüber hinaus ermutigt werden, Private Equity auszubauen.
- Intensivierung der Maßnahmen zur Anwerbung ausländischer Investoren: Der Aktionsplan fordert die Ausweitung des „nationalen Industriekatalogs“. Dabei sollen insbesondere die Bereiche des Advanced Manufacturing, der High-Tech-Industrie, der Energieeinsparung und des Umweltschutzes unterstützt werden. Auch steuerliche und finanzielle Anreize sollen geschaffen werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Förderung grüner Energien. Für internationale Unternehmen sollen Regionen in Zentral- sowie West und Nordost-China attraktiver gemacht werden.
- Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und Angebot von „guten Dienstleistungen“ für Auslandsinvestitionen nach China: Die Maßnahmen fordern einen fairen Wettbewerb und einheitliche Vorschriften auf den Märkten. Internationale Unternehmen sollen gleichberechtigt an Standardisierungsprozessen teilnehmen können. Auch das Ausschreibungssystem soll verbessert werden. In Zukunft soll Verwaltungsrecht konsequenter durchgesetzt sowie Dienstleistungen für ausländische Unternehmen bereitgestellt werden. Die Maßnahmen setzen auch einen Fokus darauf, die Marke „Invest in China“ zu stärken. Dies soll durch eine Kombination von „going out“- und „inviting in“-Strategien erreicht werden.
- Förderung der Innovationszusammenarbeit zwischen Unternehmen mit ausländischem Kapital und chinesischen Unternehmen: Bereits im Aktionsplan ist eine Lockerung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs vorgesehen. Darüber hinaus fordert er einen leichteren Zugang zu Visa sowie Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für internationale Geschäftsleute. Der Staatsrat möchte zudem die Zusammenarbeit ausländischer und chinesischer Unternehmen in Technologie- und Wissenschaftseinrichtungen weiter ausbauen.
- Angleichung staatlicher Regulierungen an internationale Handelsnormen: Zu diesen Maßnahmen gehören unter anderem die Anpassung von Regelungen zu geistigem Eigentum an internationale Normen sowie die Förderung weiterer Handelsabkommen. Der Plan ruft alle Beteiligten dazu auf, internationale Normen im Handel einzuhalten.
Zusammenfassen lässt sich sagen, dass der Plan an diversen Stellschrauben ansetzt und die Vorwürfe ausländischer Unternehmen anspricht. Nicht nur ungleiche Wettbewerbsbedingungen und ein angespanntes Geschäftsumfeld werden genannt, auch sollen weitere Regionen insbesondere in Zentral- und Westchina attraktiver für Auslandsinvestitionen werden. Dabei bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit die Pläne tatsächlich implementiert werden und dem derzeit angespannten Klima trotzen.
Ausländische Investitionen in China: Gemischte Signale
China sendet positive Signale an internationale Unternehmen und bemüht sich aktiv um die Liberalisierung und Öffnung seines Marktes. Ob das Wachstum der chinesischen Wirtschaft zu Beginn des Jahres 2024 den Trend verstärken und mehr ausländische Investitionen anziehen kann, wird sich in der zweiten Hälfte dieses Jahres zeigen. Allerdings bleiben sowohl inländische sozioökonomische Bedenken als auch internationale Herausforderungen bestehen, die den Aufschwung und das Investitionsklima beeinträchtigen könnten.